Im französischen Ort Vittel wird das Wasser knapp
Das liegt vor allem daran, dass der Konzern Nestlé dort massenhaft Wasser abpumpt. Die Bürger von Vittel sind sauer, Nestlé will ein „Watergate“ verhindern, berichtet neben SWR3 auch die Luzerner Zeitung.
Der Nahrungsmittelmulti Nestlé ist in den französischen Vogesen mit einem «Watergate» konfrontiert. Auslöser ist ein Bericht der ZDF-Sendung «Frontal21» über den sinkenden Grundwasserspiegel im französischen Kurort Vittel. Von dort bezieht Nestlé sein Wasser für die Millionen von Flaschen, die in die ganze Welt exportiert werden. Der Vorwurf der TV-Reportage: Unter anderem wegen Nestlé sinke der Grundwasserspiegel jährlich um 30 Zentimeter – in den letzten 40 Jahren total um 10 Meter.
Zufall oder nicht: Für morgen Donnerstag hat Nestlé Waters einen Presseanlass in Vittel anberaumt, zu dem internationale Journalisten eingeladen wurden. Titel der Veranstaltung: «Nestlé Waters verstärkt sein globales Versprechen für ein proaktives, umfassendes und nachhaltiges Wasser-Management.» Auch der CEO der Firmensparte, Maurizio Patarnello, ist für den Event angekündigt. In der Einladung heisst es, man wolle das Agrivair-Programm genauer vorstellen, das Nestlé vor über 25 Jahren in Vittel implementiert habe, um die Wasserqualität zu schützen. Es hilft den Landwirten bei der Umstellung auf eine pestizidfreie Landwirtschaft und fördert die Biodiversität.
Im vergangenen Herbst kündigte Nestlé zudem an, dass 20 seiner weltweiten Fabriken bis 2020 mit dem Gütesiegel AWS (Alliance for Water Stewardship) zertifiziert sein sollen. Das AWS-Label wurde 2014 von Industriefirmen, Behörden, akademischen Instituten und Umweltschutzverbänden wie dem WWF gegründet mit dem Ziel, den verantwortungsvollen Umgang mit Wasser zu verbessern.
Pläne für eine Pipeline
Das alles ändert nichts daran, dass im 5000-Seelen-Dorf Vittel laut «Frontal21» die Wogen hochgehen. So sagt ein lokaler Schäfer: «Die Einwohner unseres Dorfes leiden unter Wassermangel. Und zwar so extrem, dass der Bürgermeister gezwungen ist, im Sommer mit einem Tankwagen Wasser von ausserhalb zu holen.» Zu reden geben vor allem Gedankenspiele für den Bau einer Pipeline, um Wasser von ausserhalb nach Vittel zu bringen. Im ZDF sagt ein Mitglied der Umweltkommission des Departements Grand Est, diese könnte 20 Millionen Euro kosten und müsste wohl von den Bürgern bezahlt werden. Laut dem Bericht ermittelt ausserdem die Staatsanwaltschaft gegen eine Lokalpolitikerin wegen Lobbyismus für Nestlé. Der Konzern weist diesen Vorwurf «entschieden zurück». Zudem behauptet eine Sprecherin, dass die 745'000 Kubikmeter Wasser, die 2017 für die «Vittel Bonne Source» im betroffenen Gebiet abgefüllt wurden, nur einem Viertel der Gesamtentnahme entsprechen. Der Rest entfalle auf andere Nutzer.
Aufgrund der Situation habe man ein Programm zur Wassereinsparung initiiert, mit dem die Entnahme um einen Viertel – 250'000 Kubikmeter pro Jahr – verringert wurde. Nestlé werde zudem jede Lösung unterstützen, die dem Schutz der Quellen diene. Der Medienanlass in Vittel habe nichts mit der ZDF-Berichterstattung zu tun. Es gehe um das Konzept der verantwortungsvollen Wasserbewirtschaftung sowie die AWS-Zertifizierung, die weit über Vittel hinaus gehe.
Nestlé Waters ist der weltweit grösste Hersteller von abgefülltem Wasser mit 95 Produktionsstätten in 34 Ländern. Zum Portfolio gehören nebst Vittel Marken wie Henniez, S. Pellegrino, Perrier oder Nestlé Pure Life. Diese Präsenz sorgt regelmässig dafür, dass Nestlés Wasserpolitik missbilligt wird. So monieren Kritiker im US-Staat Michigan, Nestlé würde einen Billigstpreis für die Wasserrechte zahlen. Und bei jeder Dürreperiode in Kalifornien geraten Nestlés Abfüllpraktiken ins Visier von Umweltschützern.
Quelle: Luzerner Zeitung vom 06.06.2018 (https://www.luzernerzeitung.ch/wirtschaft/nestle-steht-wegen-wasser-politik-unter-beschuss-und-startet-image-offensive-ld.1509185)
